Höhlenmalereien zufolge wurden schon in der Steinzeit gezielt Rinder gezüchtet. Die uns heute bekannten Rassen stammen fast alle von Rindern aus dem asiatischen Raum ab. Von dort kommt auch das Geflügel: Im südostasiatischen Dschungel lebte schon vor 5 000 Jahren der Urvater unseres heutigen Haushuhns – das Bankivahuhn (Gallus gallus), welches dort bis heute heimisch ist. Nach Europa kamen die ersten, domestizierten Tiere vermutlich um das 14. Jahrhundert.
Unsere heutigen Hausschweine haben ebenfalls asiatische Wurzeln: Sie stammen vom asiatischen und europäischen Wildschwein ab, wobei die wilden Verwandten unsere Erde schon seit sechs Millionen Jahren bevölkern sollen. Knochenfunde vermutlich domestizierter Schweine zeigten, dass die Tiere in Mitteleuropa wohl schon 4 000 v. Chr. von Menschen gehalten wurden. In Asien und Nordafrika waren Schweine wohl schon 6 000 v. Chr. als Nutztiere im Einsatz, im östlichen Mittelmeerraum sogar 9 000 v. Chr.
Die heutige Zucht basiert auf Selektion bestimmter Eigenschaften zugunsten der Wirtschaftlichkeit. Über die Jahre wurden daher besonders bei Geflügel, Schweinen und Rindern bestimmte Rassen selektiert und gefördert, die beispielsweise schneller wachsen oder mehr mageres Fleisch liefern als andere. Diese Hochleistungszuchten sind aber nicht frei von Kritik. Bernhard Hörning brachte die Nachteile leistungsorientierter Zuchten in seiner Arbeit “Auswirkungen der Zucht auf das Verhalten von Nutztieren” 2008 zu Papier. Er fasste Studienergebnisse zu Verhaltensveränderungen von Geflügel, Schweinen sowie Rindern zusammen, die zeigten, dass Hochleistungszuchten zu einem normalen Verhalten gar nicht mehr fähig waren.
Geflügelzucht
Puten beispielsweise, die auf möglichst großen Schenkelumfang oder schnelle Gewichtszunahme hin gezüchtet wurden, konnten nicht mehr wie in der Natur üblich auf erhöhten Sitzstangen ruhen. Entweder erreichten sie diese mit steigendem Alter gar nicht mehr oder sie konnten das Gleichgewicht nicht halten. Außerdem verschob sich der Rhythmus ihrer Nahrungsaufnahme hin zu häufigeren Mahlzeiten. Zusätzlich ruhten die Tiere mit steigendem Alter fast nur noch. Freilaufputen auf einem Bauernhof hingegen zeigten weit mehr Aktivität. Leider wurde in der zugrunde liegenden Studie nicht festgehalten, ob es sich bei den Bauernhoftieren um dieselbe Rasse handelte, was einen direkten Vergleich erschwert.
Hochleistungsputen mieden zudem das Bodenpicken oder das Grasfressen, dafür putzten sie ihr Gefieder vemehrt – allerdings im Liegen. Es entstanden schnell wachsende, schmutzige Tiere mit lückenhaftem Gefieder. Ihre Angstreaktionen verstärkten sich ebenfalls, zudem war durch Fehlstellungen der Beine ihre Lauffähigkeit beeinträchtigt. Dies resultierte unter anderem aus Verbiegungen sowie Rotationen der Knochen. Das Auftreten verursachte ihnen Schmerzen, es kam zu vermehrtem Federpicken, Kannibalismus sowie erhöhter Sterblichkeit. Zudem werden Putenhennen heutzutage künstlich befruchtet, da die schweren Hähne durch einen nach vorne verlagerten Körperschwerpunkt nicht mehr in der Lage sind, aufzusitzen. Selbst wenn sie es könnten, würde ihr hohes Gewicht zu Rückenverletzungen bei der Henne führen.
Schweinezucht
Bei Schweinen stellte ebenfalls die schnelle Gewichtszunahme das größte Problem dar. Die Tiere nahmen zwischen dem vierten und fünften Lebensmonat bis zu einem Kilogramm Gewicht pro Tag zu. Das Skelett eines Schweines ist aber erst in einem Alter von drei bis vier Jahren voll entwickelt, sodass die hohe mechanische Belastung Schäden am Skelett herbeiführte. Es bildeten sich zunächst Osteochondrosen und schließlich Arthrosen aus, die den Tieren Schmerzen verursachten und zu Meideverhalten sowie Lahmheit führten. Die Eber waren teilweise nicht mehr zu einem natürlichen Deckakt imstande. Die zusätzliche Selektion auf mageres Fleisch führte zu gesteigerter Aktivität, Nervosität und gesteigerter Erregbarkeit. Dies äußert sich unter anderem in ungesundem Verhalten wie Schwanzbeißen aufgrund eines Mangels an stimulierenden Reizen und anderen Stereotypien.
Bei Zuchtsauen ist im Gegensatz dazu eine geringe Gewichtszunahme und eine möglichst hohe Anzahl an Ferkeln erwünscht. Gleichzeitig wiesen Muttertiere von schnell wachsenden Mastschweinen aber einen überdimensionalen Hunger auf, welcher ihre Stoffwechselkapazität bei weitem überstieg. Aufgrund der rationierten Fütterung und der mangelnden Bewegung in den kleinen Abferkelboxen kam es zu Störungen bei Fress- und Normalverhalten, die sich beispielsweise durch Stangenbeißen äußerten. Von den Ferkeln selbst wurden oft zu viele geboren, sodass die Zitzen der Muttersau nicht ausreichten, um den gesamten Nachwuchs zu versorgen.
Rinderzucht
Bei Rindern steht wie bei den Schweinen ein schnelles Wachstum und ein hoher Magerfleischanteil im Vordergrund der Hochleistungszucht für die Fleischgewinnung. Sie zeigten daher häufig eine höhere Erregbarkeit und Stereotypien wie Zungenspielen oder exzessives Lecken an den Zäunen. Bei Milchkühen hingegen, welche auf höhere Milchproduktion gezüchtet werden, konnten nicht mit Bestimmtheit Verhaltensveränderungen festgestellt werden.
Hörning schlägt als Lösung dieser Probleme verbesserte Managementmaßnahmen, züchterische sowie rechtliche Maßnahmen vor. So bräuchten die Tiere mehr Platz zur Verfügung, mehr Bewegungsaktivität und eine nährstoffreduzierte Fütterung (anstelle der derzeitigen Überversorgung). Vorbeugende Gesundheitsmaßnahmen wie die Wahl und Pflege des richtigen Laufuntergrundes könnten zudem das Auftreten verschiedener Erkrankungen verringern. Die Zucht sollte sich nicht nur an Leistungs-, sondern auch an Verhaltensmerkmalen orientieren, auch wenn diese leider schwer für jedes einzelne Tier zu erfassen oder in ihrer Vererbbarkeit vorherzusehen sind.
Generell scheine es allerdings sinnvoll, die derzeit hochgezüchteten Leistungsmerkmale wieder etwas zu senken, beispielsweise das extrem rasche Wachstum. Entsprechende Tierschutzgesetze sollen den rechtlichen Rahmen bilden. Es käme unter anderem in Frage, eine Mindestmastdauer anzusetzen, sodass die Tiere nicht immer weiter auf schnelleres Wachstum gezüchtet werden. Zudem könnten besonders belastete Rassen von der Zucht ausgeschlossen werden. Hörning ist sich aber durchaus bewusst, dass dies mit höherem Kostenaufwand verbunden wäre und daher auf wenig Begeisterung stoßen dürfte.